Ein paar persönlichen Sachen will ich trotzdem erzählen. Neben der beruflichen Seite, die ? das muß ich eingestehen ? eine sehr große Rolle in meinem Leben gespielt hat, gab es auch eine Privatseite des Lebens, die, wegen der intensiven Arbeit bei der Firma, immer in Nachteil geriet. Es gab Momenten, wo ich fast bis 10 Uhr abends arbeitete, was wielleicht manche Folgen in meinem Privatleben gehabt hat. Nachdem ich mich von meinem Manne scheiden lassen hatte (von dem ich schon erzählt habe, für wen und zu wem ich von Rumänien emigriert habe, da ich, als ich ihn kennengelernt habe, sehr jung und sehr geschmeidig war, und alles, was er mir einflößte, von höhster Bedeutung für mich war), blieb ich ein paar Jahre (4 oder 5) allein, dann lernte ich meinen heutigen Mann kennen, von dem ich wieder seit 4 Jahren getrennt bin, zwar haben wir uns noch nicht scheiden lassen, und ich weiß auch nicht, ob wir es überhaupt je noch machen werden. Ich war 35 Jahre alt, in einem Alter also, wo man von Frauen sagt, sie wären schon reif und wüßten sehr gut, was sie wollen. Und ich war tatsächlich sicher, daß ich eine endgültige Entscheidung traff, und daß mein Leben von nun an bis zum Ende neben ihm auslaufen wird. Doch aus Gründen, die hier nicht am Platze wären, war es nicht so, wie ich dachte, und, nach 15 Jahren, 1998 trennten wir uns. In diesen Jahren war der wichtigste Moment meines Daseins, 1986, die Geburt meiner Tochter Tina. Ich war schon in einem Alter, wo im allgemeinen die Hoffnungen, noch Kinder zu kriegen, mindest sind, aber es war kein Versuch mit Ärzten, Arzneien und Hormonen, sondern einfach ein glücklicher Zufall. In der ersten Periode in Deutschland nach 1987 hatte ich die Empfindung, daß die Emigranten aus Rumänien eigentlich mit Sympathie angesehen wurden. Auf internationalem Niveau oder wenigstens in Deutschland, ich weiß nicht genau, waren die Rumänen gut quotiert, denn, so war es nun, Ceauşescu hatte sich in der ganzen Welt als Gegenspieler der Sowjetunion eine Strahlenkrone gewonnen. Er versuchte immer, unabhängig zu sein, eine besondere persönliche Rede zu halten. Als die Rüssen 1968 in die Tschechoslovakei eingetreten sind, ist er sehr kritisch gewesen, und die internationale Gemeinschaft hat das höst bewertet. Die Rumänen waren ihrerseits auch froh, nun endlich die Beziehungen mit dem großen Herrscher abzubrechen, der nach dem Krieg uns unterjocht und ausgeplundert hatte, denn alles, was aus unserm Land ausfuhr, nahm die Richtung: Sowjetunion. Also plötzlich am Anfang der Ceauşescu-Diktatur begann das Volk optimistisch zu sein. Und als ich in Deutschland ankam, glaubten die Leute hier, Ceauşescu wäre eine positive Persönlichkeit, einer der hellsten Köpfe im Osten. An Ceauşescu fanden sie, im Vergleich mit anderen Führern im östlichen Block, nichts zu kritisieren, das war ja auch seine Politik: draußen in der Welt bewundert zu werden, und drinnen im Land das Volk zu erschrocken, damit es nicht zu mucken wagt. Ich muß sagen, weder ich noch die anderen Rumänen, die ich kannte, wurden in der ersten Periode von den Deutschen von oben herab behandelt. Es gab damals derartige Konflikte mit den Ausländern wie heutzutage nicht, denn heute haben sich die Ausländer überaus vermehrt, sie sind aus Osten gekommen, aus Pakistan, aus Algeria. Nun bezeichnet diese Begriffsbestimmung auch die Rumänen, die Spanier usw., obwohl es auch jetzt eine Hierarhie gibt. In der letzten Zeit, etwa in den letzten 10 Jahren, wurde es immer unangenehmer, Ausländer zu sein. Seidem ich die Schranke der 50gen Jahre überstiegen habe, begann ich doch mehr Sehnsucht nach Rumänien als in den ersten Jahren nach meiner Auswanderung zu empfinden. Ich wurde bewußt, daß ich immer öfter zurückkehrte, bis ich sogar in der glücklichen Lage war, mir eine Wohnung in Bukarest zu kaufen, wo meine Mutter (und auch ich) viel leichter wohnen kann, als wenn ich immer wieder zu Besuch käme. Meine Verhältnis zu Rumänien wird also immer enger, und es gibt eine sehr einfache Erklärung: das ist nicht etwas, was mir ganz besonders geschieht, sondern etwas, was irgendwem auf dieser Welt geschieht. Wenn man älter wird, kehren die Erinnerungen der Kindheit und der Jugend sehr frisch zurück, und das Heimweh, wodurch man mit den Orten verbunden wird, wo man jenes Glück erlebt hat, ist so heftig und stark, daß man nun sich angetrieben fühlt, zu jenen Orten am schnellsten zurückzueilen. Und das ist, was mir jetzt geschieht. Ich kann nun alle Schrenken übersteigen, die ich am Beginn meiner Karriere dem typisch rumänischen Stil gegenüber gehabt habe, weswegen alles 10mal länger dauert als in Deutschland, weswegen jeder Beamte, mit dem man zu tun hat, sich erlaubt, gegen den Kunden zu mucken, Strafpredigte zu halten, oder im Zorn sogar laut und barsch den Kunden anzuschreien. Mir scheint aber, daß einige Sachen sich nie verändern würden, egal wie viele Regierungen vorbeiwären, so tief diese Denkarten in der Seele und in der Art und Weise des Rumänen bewurzelt sind, dieselbe Seele und dieselbe Art und Weise, die auch ich habe, nur etwa vermindert nach so viele Jahren in Deutschland. Es ist eine gewisse Eigenschaft des rumänischen Volks, großartig zu tun. Auch der kleinste Arbeiter, der den Weg mit Fliesen pflastert, muß seinem Nachbarn erzählen, wie großartig er ist, und welche große Geschäfte er aufs Tapet gebracht hat. Jeder fühlt sich von irgenwelcher Arbeit überfordert, alle Beamten haben die Büros aktenvoll, doch keiner arbeitet daran, und von den Hinterräumen hört man Musik und das glückliche ansteckende Kichern der Angestellten, die anstatt all die Problemen in den Akten zu lösen, eine unendliche Pause machen, und... Aber so ist es nun, und wer sich mit dieser Denkart sich gewöhnen kann, mit der Tatsache, daß man überall und für alles abwarten muß, der kann sehr glücklich auch hier leben. Es geht um die Fähigkeit, die man ja oder nicht hat, diese Sachen zu verstehen. Es hängt alles davon ab, wie man alles nimmt. In den ersten Jahren nahm ich alle Auseinandersetzungen mit den rumänischen eigenartigen Beamten tödlich ernst: nun scheint mir aber eben diese Eigenart, die sie haben, erzählenswert. Nun würde ich schnell nach Hause gehen, um eine kleine Geschichte zu schreiben, und alles, was mir geschah, witzig zu erzählen. Denn jeden Tag passiert ja uns etwas hier, für jedes dumme Zeug, das man tun muß: sogar der Einkauf eines Glases Joghurt wird das Tapfere Bestehen eines kleinen-kleinen Abenteuers. (mai, 2003) Ein Interview von Mirela Florian Űbersetzung von Maria Magdalena Anghelescu |