In Rumänien, kann es dir jeden Tag etwas Erzählenswertes geschehen
Veronica T.
 

Vor 25 Jahren genauam 14. Januar 1978 verlaß ich Rumänien. Die Richtung war Frankfurt am Main in Deutschland, wo mein Mann auf mich wartete. Ich muß sagen, daß ich verheiratet war, und mein Mann war schon seit vier Jahren und sechs Monaten ausgewandert. Wir hatten zusammen beschlossen, uns irgendwo im Westen wiederzusehen, wo uns gut gehen würde, und wo wir fortsetzen könnten, was wir hier begonnen hatten, nähmlich unser Zusammenleben. Aber von 1973 bis 1978 ist manches geschehen, was unsere Pläne völlig verändert hat. Jeder von uns begann, getrennt von dem anderen, sein eigenes kleines Liebesverhältnis, was uns in fast fünf Jahren so viel verändert hat, daß wir schließlich verstehen haben: wir konnten nicht mehr zusammensein, aber wir blieben doch einig, uns im Westen wiederzusehen.

Ich bin also gesetzmässig ausgewandert, infolge einer Gesuch für Familienwiederergänzung. Die rumänischen Behörden haben mir mit Diskretion bekanntgemacht, würde ich zu meinem Mann in Deutschland auswandern, so könnte ich die Papiere einreichen, während sie von mir dieselbe Diskretion forderten, was ihre Unterstützung betraf. Sie halfen mir sogar irgendwie, die nötigen Papiere für die Auswanderung zu kriegen, wenn auch ihre Hilfe zu jenen Zeiten nicht so natürlich war, denn für den Staat war gar kein positives Zeichen, Leute auswandern zu lassen. Ich erfuhr später, daß mein Mann seinerseits in Deutschland alles gemacht hatte, um mir aus dem Land zu helfen, er hatte sogar eine Summe irgendwo hinterlegt, aber bis heute weiß ich noch nicht genau wie und wo.

Sehr wichtig war ein Tag im August 1978, als ich vom Paßamt einberufen wurde, man wollte mir sagen, ich könne nun auswandern, sobald ich wolle, und sie seien bereit, mir die betreffenden Papiere zu geben, damit ich sie ausfülle. Als sie mich befragten im welchen Verhältnissen ich zu meinem Mann jetzt stand, fühlte ich meine Knie weich werden, und, obwohl ich nur 28 war, fürchtete plötzlich, vor Angst am Herzschlag zu sterben, er hätte etwas getan, was mir ungeheure Schwierigkeiten hätte bringen können. Aber ich traf glücklicherweise die gute Entscheidung, und antwortete sicher, daß wir in den besten Verhältnissen zueinander standen, während ich gar nicht wußte, was für mich in den folgenden 10 Sekunden zu erwarten war. Und dann hörte ich: ?Sehr gut, daß Sie in guten Verhältnissen zueinander stehen, dann sind Sie ja berechtigt, die notwendige Papiere für den Paß zu nehmen, denn Sie wollen, völlig klar, zu Ihrem Mann fahren.?

Ich nahm die Formuläre, füllte sie alle aus, brachte allerlei Zeugnisse und Bestätigungen. In dem Jahr, als ich auswanderte, mußte man nicht, auch die Studienjahre bezahlen, aber später  erfuhr ich, daß viele meiner Kollegen große Summen für die Studien bezahlt haben, die sie in Rumänien gemacht hatten. Es war meine Chance, so viel Geld (mehrere Tausend Lei damals) nicht ausgeben zu müssen. Also bis gegen Dezember vor Weihnachten hatte ich schon alle nötige Papiere bis auf eins, das ich trotz aller Mühe, nicht kriegen können hatte:  es war ich weiß nicht welcher Bestätigung vom Telefondienst, daß ich keine Geldschuld zum Staat hatte; und nun ist mein Paß abgelaufen. Weinend mußte ich wieder zum Paßamt gehen und sagen: ?Tut mir leid, ich bin bis zum 20. Dezember non nicht bereit auszuwandern?; und sie verschoben mir den Termin noch vier Wochen. Inzwischen mußte ich, mich auch mit dem Möbeln beschäftigen, das ich draußen schicken wollte, mit den persönlichen Kleinigkeiten, einiger Ikonen zum Beispiel, die von der Patrimonialbehörde geprüft, gestempelt, fotografiert, bewertet und von mir bezahlt werden sollten: ein ganzer Wahnsinn, der meine Auswanderung verlangsamte. Schließlich aber hatte ich sie alle schön verpackt, darunter das Möbel meines Mannes für ein schönes Schlafzimmer, das ich ihm unbedingt als Geschenk bringen wollte, da er es nach dem Tode seiner Eltern geerbt hatte. Es war nicht von hohem Patrimonialwert, nur sein Sentimentalwert war wichtig.

Am 14. Januar endlich gegen Mittag, mit allen Papieren, ohne welche ich nicht auswandern können hätte, kam ich mit einem Taromflugzeug in Frankfurt an, landete also zum ersten mal in meinem Leben. Der frankfurter Flughafen, wahrscheinlich auch damals, vor 25 Jahren, der größte in Europa, war desto phantastischer für einen Passagier wie ich, der zum ersten mal überhaupt mit keiner Ahnung landete, was all die Symbole und Pfleile beteuten wollten. Meine Erfahrung als Flugzeugpassagier war nul, und es hat mir Schwierigkeiten bereitet, mein Personalgepäck von Laufendenband wiederzuerhalten. Das Übrige, Möbel und allerlei Sachen, waren mit dem Zug unterwegs. Am Ausgang warteten auf mich mein Mann und sein Bruder, die beide begeistert und mit Blumen in den Händen mir herzlich Willkommen zuriefen, doch mein Zustand war von totalem Zusammenbruch, ich weiß nicht, ob man das Angst oder Aufregung nennt, weiß nur, daß ich kein Wort herausbringen konnte, weder froh sein, noch weinen konnte. Und da ich jetzt vom Weinen spreche, hab? ich zu sagen vergessen, wie, vor meiner Abfahrt vom bukarester Flughafen, ein paar ziemlich Aufregenden Szenen mit allen mir lieben Leuten stattfanden: Mutti, Vati, meine Schwester und der Freund, denn ich damals bekommen hatte, weinten alle, als ob ich direkt in den Krieg gezogen, und sie mich nie mehr wiedersehen würden. So Traurig war die Trennung gewesen, mit so vielen Tränen, daß ich, nach allen in Bukarest heruntergeschluckten, hier in Frankfurt keine mehr fand.

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